Der Integrator geht

In der Fachwelt gilt er als ausgewiesener Experte der Systemintegration für Elektronik-Produkte und Fachmann für langlebige Chip-Verbindungen. Nachdem er das Fraunhofer IZM dauerhaft als Institutsleiter auf Erfolgskurs gehalten hat, geht Prof. Klaus-Dieter Lang in den Ruhestand. Was er bewegt hat und wovon die Mikroelektronik-Welt profitieren wird:

Prof. Dr.-Ing. Dr. sc. techn. Klaus-Dieter Lang
© Jacek Ruta
Keine Spur von Ruhestand – Prof. Dr.-Ing. Dr. sc. techn. Klaus-Dieter Lang.

„Es stimmt nicht immer, dass man aufhören soll, wenn’s am schönsten ist“, sagt Klaus-Dieter Lang heute. „Forschung für die Praxis ist eigentlich immer schön und auf den innovativen Gebieten der Mikroelektronik und Mikrosystemtechnik ganz besonders.“ Nach einer preiswürdigen Dissertation baute er gleich mehrere Zentren für diese Themen auf, wurde Inhaber des Lehrstuhls für „Nano Interconnect Technologies“ an der Technischen Universität Berlin, brachte sich in unzählige Gremien ein und verdoppelte in seiner Zeit als Institutsleiter den Wirtschaftsertrag des Fraunhofer IZM. Dabei hatte er die Weichen schon früh auf Erfolg gestellt.

Strategie: Von der Technologie zur Anwendung

Der studierte Elektrotechniker widmete sich in den 1980ern am Fachbereich Elektronik der Humboldt Universität den Themen Halbleitertechnik, Aufbau- und Verbindungstechnik, Packaging und Qualitätssicherung. Während dieser Zeit promovierte und habilitierte er sich und wurde für die Ergebnisse seiner Arbeit mit dem „Humboldt-Preis“ geehrt. Nach dem Aufbau eines Bereichs „Mikrofügetechnik und optische Verbindungstechnik“ an der SLV Hannover gestaltete er seit der Gründung des Fraunhofer IZM im Jahr 1993 den Weg dieses Instituts aktiv mit und wurde schließlich im Jahr 2010 dessen Leiter.

Maßgeblich für seine Strategie am Fraunhofer IZM war der Kompetenzaufbau für die Wertschöpfungskette mikroelektronischer Systeme auf Basis fortschrittlicher Aufbautechnologie, hin zu anspruchsvollen Anwendungssystemen. Im Vordergrund standen optimierte Integrationstechniken, eine höhere Zuverlässigkeit, integrierte Sensoren und Aktoren sowie die Miniaturisierung und Anpassung an beliebige vorgegebene Bauräume. Seinem Engagement ist auch die Einrichtung von  fünf Geschäftsfeldern zu verdanken, die bestens auf die Bedürfnisse industrieller Kunden eingestellt sind.

 

Forscher und Unternehmer

Klaus-Dieter Langs Wirken war ganz im Sinne der Fraunhofer-Philosophie die exzellente Verknüpfung wissenschaftlicher Kreativität mit effizientem Innovationsmanagement und stabil abrufbarer Leistungsfähigkeit. Er ist Autor oder Mitautor von vier Büchern und mehr als 430 Veröffentlichungen im Bereich Aufbau- und Verbindungstechnik, Packaging, Mikrosystemtechnik und Systemintegration und hält mehr als ein Dutzend Patente. Unter seiner Ägide wurde das Fraunhofer IZM vom Wissenschaftsrat hinsichtlich der wissenschaftlichen Exzellenz zur besten deutschen Forschungseinrichtung im Bereich Elektrotechnik ausgezeichnet. Zugleich stieg der Betriebshaushalt des Instituts seit seinem Amtsantritt als Institutsleiter um mehr als 60 Prozent (2010: 23,1 Mio. Euro, 2020: 37,6 Mio. Euro). Die Erträge aus Kooperationen mit Unternehmen verdoppelten sich nahezu (2010: 7,5 Mio. Euro, 2020: 14,4 Mio. Euro). Personell konnte er das Institutsteam in dieser Zeit um mehr als 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausbauen.

 

Diplomatischer Netzwerker

In der Fachwelt gilt er als geschickter Integrator, nicht nur unter dem Aspekt der Miniaturisierung und Integration mikroelektronischer Strukturen in nahezu beliebige Applikationsumgebungen, sondern ebenso im Hinblick auf die strukturelle Vernetzung der Forschungsakteure mit Industriepartnern. So war er z.B. Mit-Initiator des Zentrums für Mikrosystemtechnik ZEMI mit Sitz in Berlin-Adlershof, welches das regionale Forschungs- und Entwicklungspotenzial in der Mikrosystemtechnik vernetzte und dessen Sprecher er lange Jahre war.

Doch nicht nur auf regionaler und nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene ist sein Sachverstand überaus gefragt: Im Scientific Advisory Board von EURIPIDES (European Smart Electronic Systems) koordinierte er u.a. die Weiterentwicklung industrierelevanter Forschungs-Roadmaps auf europäischer Ebene und vernetzte das Potenzial der FuE-Einrichtungen aus über 20 Ländern mit federführenden forschungspolitischen Akteuren.

Als Würdigung für seine außerordentlichen Leistungen in Wissenschaft und Forschung erhielt Klaus-Dieter Lang 2014 die Fraunhofer-Medaille und 2017 von der internationalen Fachvereinigung IMAPS den William D. Ashman Achievement Award für den Bereich Electronic Packaging und System Integration. Im Jahr 2016 wurde er mit dem DVS-Ehrenring ausgezeichnet.
Im Jahr 2018 wurde ihm der IEEE Fellow Grade im Bereich Heterointegration und Mikroelektronik-Packaging verliehen. Im Oktober 2019 wurde er außerdem mit der höchsten VDE-Auszeichnung der Gesellschaft Mikroelektronik, Mikrosystem- und Feinwerktechnik - dem GMM-Award – ausgezeichnet. Weiterhin ist er Fellow und Life Member von IMAPS.

 

Akquisition und Realisierung von Großprojekten
All Silicon System Integration Dresden

Von unschätzbarem Wert für die Fraunhofer-Gesellschaft sind Klaus-Dieter Langs Qualitäten bei der Akquise und dem Management von Großprojekten.

Unter seiner Leitung wurde 2010 der Aufbau des Dresdener Zentrums zur 3D-Systemintegration, das “All Silicon System Integration Dresden“ (ASSID), maßgeblich vorangetrieben. Der Standort mit mittlerweile über 40 Mitarbeitenden entwickelt Waferlevel-Packagingtechnologien im 300-mm-Bereich für das Stapeln von Halbleiterbauelementen und überführt diese in die Anwendung.

Das Zentrum ist speziell auf Forschungsprojekte und die industriekompatible Prototypenentwicklung zugeschnitten.

Prof. Lang erwirkte für Aufbau und Inbetriebnahme die finanzielle Unterstützung von 49 Mio. Euro aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, dem Freistaat Sachsen sowie der Europäischen Union.

Das Fraunhofer IZM-ASSID ist dank des persönlichen Engagements von Prof. Lang fest eingebunden in das institutionelle Forschungs- und Industrienetzwerk mit den Firmen des Silicon Saxony und maßgeblicher Treiber im Leistungszentrum “Funktionsintegration für die Mikro-/Nanoelektronik”. Das ASSID ist indessen eine eigenständige Organisationseinheit und wurde 2013 hervorragend evaluiert und in das Fraunhofer-Modell integriert. Seit 2018 sind die Management-Prozesse am Fraunhofer IZM-ASSID nach ISO-9001-Standard zertifiziert.

 

Berliner Zentrum für intelligente Systeme auf Leiterplatten- und Modulebene

Prof. Langs intensiven Anstrengungen ist hauptsächlich die dauerhafte Konsolidierung des IZM-Hauptstandorts in Berlin zu verdanken. Unter seiner Leitung konnten rund 40 Mio. Euro von der EU, vom Land Berlin dem BMBF sowie der Fraunhofer-Gesellschaft für das Innovationszentrum AdaptSys bereitgestellt werden. Dies ermöglichte neben zukunftsorientierten mikroelektronischen Anwendungen und technologischen Innovationen auch die Sicherung von mehr als 400 Arbeitsplätzen am Berliner Standort.

In dem Zentrum werden neben fortschrittlichsten Integrationstechniken auf Wafer- und Substratlevel z.B. Methoden und Verfahren entwickelt, die es ermöglichen, dass beliebige Produkte wie Autositze, Werkzeuge, Küchengeräte und selbst Textilien nicht wie bislang gefertigt und Elektronik sowie Sensorik nachträglich montiert werden müssen. Stattdessen werden die elektronischen Systeme bereits während des Herstellprozesses integriert.

So entstehen Technologien und Produkte, deren Wettbewerbsfähigkeit schon während der Entwicklung klar definiert ist. Zudem verfügen die Forschenden dank der engen Verzahnung von Forschung, Entwicklung und Anwendung über ein permanent wachsendes Produkt-Knowhow und können damit ganze Branchentrends mitgestalten.

 

Ständiger Blick in die Zukunft

Dank Klaus-Dieter Langs Engagement treibt eines der führenden Forschungsinstitute weltweit auf diesem Gebiet die wesentlichen Aspekte in der Mikroelektronik voran:

  • Forschung für Hochfrequenz-Systemintegration für 5G und 6G
  • die Revolution der Fertigungstechnologie: der Wechsel vom Fan-out Wafer zum Fan-out Panel Level Packaging und ein Verschmelzen beider Technologien
  • die Zukunft der Prozessortechnik durch Chiplets und Quantentechnologien
  • Forschung an Aufbautechniken, die biologische Systeme und elektronische Bauelemente miteinander kombinieren
  • abgeschirmte Packages und Integrationslösungen für eine umfassende Hardwaresicherheit
  • klimafreundliche und nachhaltige Technologien sowie ein effizienter Umgang mit Ressourcen.

Seit 2017 ist das Fraunhofer IZM Teil der Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland, dem durch das BMBF geförderten größten standortübergreifenden FuE-Zusammenschluss für die Mikro- und Nanoelektronik in Europa.

Und mehr noch: Neben seinen Standorten Berlin und Dresden ist das Institut nun auch in Cottbus aktiv, wo es mit exzellenten Partnern die Forschung an Hochfrequenz-Sensorsystemen vorantreibt und sich auf den Entwurf, Testverfahren und die Charakterisierung von integrierten Antennen, das Co-Design von Chip-Package-Antennen sowie Systemintegrationslösungen für die Realisierung von miniaturisierten Hochfrequenz-Sensorsystemen konzentriert.

Und auch den Hardware-Startups widmet sich das Fraunhofer IZM unter Langs Leitung. Seit mittlerweile vier Jahren bietet es kleinen und mittleren Unternehmen in seinem durch den Berliner Senat geförderten Prototyping-Areal “Start-A-Factory” die Möglichkeit, in einem einzigartigen Konzept aus Geräte-Infrastruktur und Arbeitsumgebung schnell von der Idee bis zum ersten professionellen Prototypen zu gelangen – mithilfe von modernsten Anlagen, eingebettet in das Netzwerk von Fraunhofer IZM-Wissenschaftler*innen und anderen unterstützenden Partnern.

Wenn Prof. Lang zum 30. September 2021 in den Ruhestand geht, übergibt er ein weltweit renommiertes Mikroelektronik-Institut auf Erfolgskurs. Große Fußstapfen für mögliche Nachfolger. Aber er kennt das selbst, hat er doch 2010 die Nachfolge vom weltweit geschätzten Packaging-Pionier Prof. Herbert Reichl angetreten. Im Weiteren wird das Fraunhofer IZM kommissarisch von Prof. Dr.-Ing. Martin Schneider-Ramelow geleitet, dem Prof. Lang ein gutes Händchen und viel Erfolg wünscht.

 

Zeit für Privates

Was macht Prof. Lang jetzt eigentlich mit der vielen Zeit? Er wird der Fachwelt nicht ganz verloren gehen, sondern weiter in einer Reihe von Arbeitskreisen, Fachgremien oder Veranstaltungen präsent sein.

Ansonsten reist er gern und hat viele sportliche Interessen. Auch möchte er mehr Zeit mit seinen Enkeln verbringen, denn für den Nachwuchs hatte er schon während seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit immer ein offenes Ohr.

Abschließend noch etwas, was wohl nur sehr Wenige wissen. Er ist ein großer Fan der antiken römischen Geschichte und vielleicht kann man ihn ja mal bei den historischen Stätten dieser Zeit treffen.

Das Fraunhofer IZM sagt: Danke für über 28 Jahre intensiver Unterstützung und zehn Jahre wegweisender Leitung und wünscht alles Gute, Gesundheit und Inspiration für den Ruhestand!

 

Stationen im Überblick

1976-1981: Studium der Elektrotechnik an der Humboldt Universität zu Berlin, Abschluss Dipl.-Ing.

1985-1989: Promotion (Dr.-Ing.) und Habilitation (Dr. sc. techn.) bei Prof. Dr.-Ing. habil. Wolfgang Scheel

Berufstätigkeit: 1981 – 1991 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Humboldt-Universität Berlin, Sektion Elektronik

1991-1993: Aufbau des Bereichs Mikrofügetechnik und optische Verbindungstechnik an der SLV Hannover

1993-2004: Gruppenleiter am Fraunhofer IZM in Berlin

2001: Aufbau und Leitung der interdisziplinären Projektgruppe „Microsystem Engineering“ des Fraunhofer IZM und des TU-Forschungsschwerpunkts Mikroperipherik in Berlin-Adlershof (ZEMI-Partner).

2004-2006: Abteilungsleiter „Photonic and Power System Assembly“ am Fraunhofer IZM

2006 -2010: Stellvertretender Institutsleiter des Fraunhofer IZM

Seit 2010: Institutsleiter des Fraunhofer IZM und von 2011-2020 Lehrstuhlinhaber im Fachgebiet „Nano Interconnect Technologies“ an der Technischen Universität Berlin

 

Mitgliedschaften in Gremien und Ausschüssen

  • Vorsitz im Programmkomitee der SMT/HYBRID/PACKAGING Messe und Konferenz
  • Wissenschaftliche Leitung der Konferenz „Technologien Elektronischer Baugruppen“
  • Mitglied im Lenkungskreis des Mikrosystem-Kongresses
  • Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der VDE Gesellschaft für Mikroelektronik, Mikrosystem- und Feinwerktechnik (GMM)
  • Mitglied im Vorstandsrat des Deutschen Verbandes für Schweißtechnik (DVS)
  • Mitglied des Scientific Advisory Board von EURIPIDES
  • Chapter Chair Germany der IEEE Components, Packaging and Manufacturing Technology Society
  • Mitglied des SEMI Europe Award Committee
  • Vorstandsmitglied OptecBB (Kompetenznetz Optische Technologien Berlin und Brandenburg)
  • Sprecher des Direktoriums des Zentrums für Mikrosystemtechnik Berlin

 

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