Auf ein Wort mit Dr. Manuela Junghähnel: Neue Standortleitung am Fraunhofer IZM-ASSID
Vor zwei Jahren feierte unser Standort in Moritzburg – das »All Silicon System Integration Dresden – ASSID« sein zehnjähriges Jubiläum. Nun kam es in diesem Jahr mit Dr. Manuela Junghähnel (folgend MJ) zu einem Wechsel auf der Leitungsebene. Wir freuen uns sehr und sagen „Herzlich willkommen!“ Die studierte technische Physikerin zeigt, dass Empathie und Ehrgeiz sich nicht ausschließen müssen.
MJ: Vielen Dank für die Chance, mich selbst vorstellen zu dürfen, denn ich bin grundsätzlich davon überzeugt, dass es nicht nur darauf ankommt, dabei zu sein, sondern auch Sachen zu bewegen, ganz ohne Scheu. So habe ich mich auch schon als junge Frau in der Welt der Gegensätze für die Technik entschieden. Außerdem bin ich von einem nicht geradlinigen Lebensweg geprägt; wenn ich den aber nicht so gegangen wäre, wäre ich jetzt auch nicht hier. Angefangen bei der Berufsausbildung zur Energieelektronikerin für Betriebstechnik in einem Stahlwerk bis hinein ins Studium der technischen Physik war mir auf meinem Bildungsweg immer eins wichtig: Selbstbestimmtes Arbeiten in der Forschung. Nach meinem Studium, Ende der 90er, sah es in Berlin und Brandenburg gar nicht gut aus mit Chancen auf eine gute Anstellung. Zur Debatte stand damals auch, die Heimat zu verlassen und in den Westen zu gehen, z.B. in eins der großen Unternehmen. Dann ergab sich aber die Gelegenheit, in Dresden anzufangen, und ich habe mich fürs Fraunhofer FEP entschieden. Vor allem weil das Institut aus dem ehemaligen Manfred-von-Ardenne-Institut hervorging, welches das einzige private Forschungsinstitut in der DDR war, und damit eine lange exzellente Historie in Bezug auf Elektronenstrahl- und Plasmaverfahren vorweisen konnte. Die Plasmatechnik hatte zu dieser Zeit gerade einen riesigen Innovationsschub erfahren und die Wissenschaftler*innen am Fraunhofer FEP waren so unfassbar motiviert und stolz auf die international hochangesehenen Technologien, die sie entwickelten. Ein Teil dieses Teams zu werden, fand ich extrem spannend und interessant. Mein Ziel habe ich insofern erreicht, und schließlich war ich dann auch fast 23 Jahre am Fraunhofer FEP. Dabei war es immer mein Wunsch und Ziel, mitzugestalten, was die Themen von morgen werden und auf welche Forschungsfelder wir setzen. Von Beginn meiner Berufsausbildung an bis heute sind mir diese Aspekte wichtig: Entwicklung, Innovation, Diversität, Sinnhaftigkeit, Leben der Gegensätze und Flagge zu bekennen.
Leitung ist für Sie also kein Neuland. Sie haben schon einige Wissenschaftler*innen begleitet und ihren Werdegang gefördert. Was ist ihr Erfolgsrezept und wie können Sie es in Dresden-Moritzburg umsetzen?
MJ: Ich selbst bin ziemlich stark geprägt von strukturübergreifendem Zusammenarbeiten. Im Grunde bin ich Netzwerkerin, arbeite gerne im Team, und wenn das Team gut ist und effizient zusammenarbeitet, ist man auch erfolgreich. Am Fraunhofer FEP konnte ich das sehr gut umsetzen: Ich war dort zuletzt Abteilungsleiterin von drei sehr erfolgreich arbeitenden Gruppen. Mit der Zeit habe ich aber gemerkt, dass mir die Forschungsfelder und der Aktionsradius zu eng wurden. Ich suchte eine neue Herausforderung, und genau in dem Moment kam das Angebot des Fraunhofer IZM-ASSID. Parallel dazu habe ich die Kollegin Dr. Wenke Weinreich vom Fraunhofer IPMS kennengelernt. Gemeinsam sind wir mittlerweile Sprecherinnen dieser Class und hoffen, einiges am Standort Sachsen in Bezug auf die 300mm-Wafertechnologien bewegen zu können. Wenke Weinreich ist die Standortleiterin des Fraunhofer IPMS-CNT sowie stellvertretende Institutsleiterin des IPMS. Gemeinsam haben wir vor kurzem die feierliche Eröffnung neuer Reinräume des CNT und die Eröffnung des 300mm Centers for Advanced CMOS & Heterointegration zelebriert.
Mein Erfolgsrezept ist also im Grunde: Arbeit muss sinnstiftend sein. Wenn der Zweck, die Aufgaben und die Verantwortlichkeit nicht klar sind oder nicht gut kommuniziert werden, kann man auch nicht gut lösungsorientiert und erfolgreich arbeiten. Man muss also eine entsprechende Atmosphäre und Kultur schaffen sowie ein Gefühl dafür entwickeln, was die Mitarbeitenden bewegt. Der Erfolg wird nämlich fast nie von Einzelnen geschaffen, sondern ist ein Gesamtwerk des Teams.
Sie bringen bereits viel Erfahrung auf dem Gebiet der Wafer-Level-Systemintegration mit, aber natürlich auch aus anderen Bereichen. Was ist Ihnen besonders wichtig für die nächsten zehn Jahre des Fraunhofer IZM-ASSID?
MJ: Die gegenwärtigen Entwicklungen und Aktivitäten in der Mikroelektronik sind hoch relevant für das Fraunhofer IZM-ASSID. Die Sicherung des Elektronikstandorts Europa und die Steigerung der Chip-Produktion hier, auch mit einem Blick auf Sachsen als Hotspot: Das sind Themen, die wir aktiv mitgestalten. Seit der Gründung unseres Institutsteils vor 12 Jahren wurde am Standort viel investiert. Aber in der Halbleiterbranche sind die Zyklen, in denen das Equipment up-to-date ist, deutlich kürzer als in anderen Branchen. Das heißt, wir sind immer davon getrieben, dass wir analog zur Forderung nach neuesten Technologien und Entwicklungen auch über die entsprechende Ausstattung und Infrastruktur verfügen. Hier ist weiter noch einiges zu tun, und das werde ich in den nächsten Jahren auch angehen: Zum einen möchte ich den Betrieb am jetzigen Standort komplett sichern und die vorrangig aus der Industrie kommenden Kund*innen weiter bedienen; zum anderen möchte ich aber auch weiter investieren und das IZM-ASSID für die Zukunft bestmöglich aufstellen – zum Beispiel entsprechend des Trends zur hochdichten Integration, höherer Präzision, neuen Materialien, neuen Anwendungsbereichen wie High Performance oder Quantencomputing. Es geht also um Innovationen und Technologien für das Packaging der Zukunft.
Unabhängig davon werden wir den hohen Anteil an Industrieprojekten, Pilotfertigung, Aufskalierung und Technologieentwicklung weiter bedienen, weil hier die Nachfrage seitens der Industrie extrem hoch ist. Die Herausforderung ist dabei die Bereitstellung der entsprechenden Infrastruktur und Labortechnik, aber auch das ASSID-Team so aufzustellen, dass wir diese Entwicklungsleistungen technologisch hochinnovativ, zuverlässig und mit höchster Qualität erbringen können. Wir brauchen dazu Fachkräfte. Dabei ist es in Sachsen, wo wir große Unternehmen wie Bosch, Infineon und Globalfoundries in der Nachbarschaft haben, eine Herausforderung, als Arbeitgeber entsprechend attraktiv zu sein. Es geht vor allem darum, Kontinuität von hochspezialisierten exzellenten Mitarbeitenden zu erzeugen, die eine starke Bindung an das Fraunhofer IZM-ASSID haben, und es geht auch um ein verantwortungsvoll arbeitendes Führungsteam. Ich verstehe die Gruppenleiter*innen mit mir als Abteilungsleiterin als ein starkes Führungsteam. Hierbei setze ich grundsätzlich auf agiles Arbeiten und Führung mit Owner-Kultur, bei der alle Mitarbeitenden selbstorganisiert mit Verantwortung arbeiten und sich einbringen. Das wird eine Kulturveränderung am IZM-ASSID bedeuten.
Die Frage ist immer, welche Werte man für sich festlegt und welches Vertrauen man in seine Mitarbeitenden hat. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Mitarbeitende höher motiviert sind, wenn man ihnen Verantwortung überträgt. Vertrauen und das Gefühl, sich gegenseitig aufeinander verlassen zu können, sind wichtige Eckpfeiler für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.
Sie sind eine Teamplayerin mit Verantwortung. Welche strategischen Ziele haben Sie sich für den Standort gesetzt?
MJ: Wachsen ist auf jeden Fall Zukunft. Mein Vorgänger Jürgen Wolf hat das IZM-ASSID zu einem sehr erfolgreichen und international renommierten Institutsteil aufgebaut. Es ist ein Leuchtturm in der Welt der Systemintegration. Aber am jetzigen Standort haben wir nahezu keinen Platz mehr, weder in der Prozesslinie noch in den Büros. Mit der Erweiterung am zweiten Standort beim Fraunhofer IPMS-CNT gehen wir auch eine institutsübergreifende Zusammenarbeit an. Wir bündeln also Kompetenzen und Synergien in Bezug auf 300mm-Wafertechnologien, um unseren Kund*innen ein breiteres Portfolio an FuE-Services anzubieten.
An diesem Standort gibt es 900 Quadratmeter Reinraumfläche. Wir haben bereits ein Konzept für Investitionen, die wir zwingend tätigen müssen, um den gegenwärtigen und zukünftigen Anforderungen besser gerecht zu werden. Nur so können wir unseren Kund*innen adäquaten R&D-Service in einer Pilotlinie anbieten und strategisch wichtige Themen, wie das High-Performance- oder das Quantencomputing, mit Technologielösungen hinsichtlich der 300mm-Wafer-Level-Systemintegration bedienen. In diesem Sinne verstehe ich auch Fraunhofer: Für die Industrie entwickeln, erproben, optimieren, und in Kleinserie fertigen. Das werden wir mit der Erweiterung des IZM-ASSID besser umsetzen können. Hochpräzise Bondtools, aber auch Equipment für die Lithographie und PVD, sowie die Möglichkeiten der Erprobung neuer Materialien spielen dabei beispielsweise eine wichtige Rolle. Dass wir Packaging-Technologien auf 300mm-Wafern entwickeln, sehe ich auch innerhalb von Fraunhofer als ein Alleinstellungsmerkmal des IZM-ASSID.
Die Eröffnung des Centers for Advanced CMOS & Heterointegration Saxony war ein Highlight, welches bereits bekannt ist. Wie wird das Fraunhofer IZM-ASSID hier teilhaben und davon profitieren?
MJ: Die beiden Partner*innen haben unterschiedliche Kompetenzen: Wir am IZM-ASSID sind die 300mm-Spezialist*innen im Bereich Backend-Prozessierung von Wafer-Systemintegration, Assembly, Bonden, 3D-Intergration wie TSVs bis hin zu Interconnects Formation. Aber es gibt auch andere vorgelagerte Prozesse, auf die das Fraunhofer IPMS-CNT hochspezialisiert ist: z.B. aktive Bauelemente, energieeffiziente oder nichtflüchtige Speicher und vieles mehr. Fraunhofer IZM-ASSID und IPMS-CNT – beide sind bundesweit einzigartige FuE-Einrichtungen auf dem Gebiet der Mikroelektronik. Mit dem Center bündeln wir unsere FuE-Aktivitäten auf Basis von 300mm-Wafer-Industrie-Standardequipment und die Kompetenzen für Frontend-, Backend-Technologien sowie Wafer-Level-Systemintegration und vervollständigen damit die Wertschöpfungskette. Beide Institutsteile arbeiten bereits seit vielen Jahren in Projekten zusammen. Damit sind die Eröffnung und die Zusammenarbeit im Center nicht nur der nächste, sondern auch ein konsequenter richtiger Schritt.
Sie sind nun schon seit über einem Jahr in der stellvertretenden Leitung am Standort tätig. Welchen Eindruck konnten Sie sich bisher machen – auch von den wissenschaftlichen Erfolgen Ihres Vorgängers Jürgen Wolf?
MJ: Zum einen gibt es langfristige Kooperationen mit Partner*innen: Dabei ist das Fraunhofer IZM-ASSID dafür bekannt, eine entsprechende Qualität und Funktionalität zu liefern. Wir müssen natürlich sicherstellen, dass das auch in Zukunft so bleibt.
Was wir noch ausbauen können, ist die Sichtbarkeit der Wissenschaftlichkeit des IZM-ASSID. Dafür werden wir gemeinsam Konzepte entwickeln, um deutlicher zu zeigen, in welchem Bereich wir Forschungsexzellenz besitzen. Um das sichern zu können, werden wir die Kooperationen zu den Hochschulen ausbauen, insbesondere zur TU Dresden.
Es existieren bereits Pläne, wie wir um junge Leute wachsen können. Dabei sind zum Beispiel die Bereitstellung von Themen für Abschlussarbeiten sowie deren Betreuung besonders essentiell. Wir sehen diese nicht nur als ergänzende Arbeiten, vielmehr sind sie für uns von fundamentaler Bedeutung, damit wir uns thematisch weiterentwickeln und den Kunden weiter technologische Innovationen anbieten können.
Bezogen auf Promotionen würde ich mir wünschen, jedes Jahr eine Promovierende oder einen Promovierenden einstellen und eine Art rollendes System etablieren zu können. Des Weiteren müssen wir in der Organisation einiges anpassen und eine gute Basis schaffen, so dass unsere Mitarbeitenden ebenfalls besser methodisch und wissenschaftlich arbeiten können.
Sie arbeiten aber schon viel länger bei Fraunhofer als nur das letzte Jahr. Was reizt Sie an unserer Marke und warum sollten sich junge Wissenschaftler*innen hier bewerben?
MJ: Aus meiner Sicht ist das ganz klar der Gestaltungsfreiraum, den Fraunhofer ermöglicht. Fraunhofer ist renommiert, international bekannt und steht für wissenschaftliche Kompetenz und Exzellenz. Fraunhofer ist zudem ein moderner Arbeitgeber und bietet attraktive Arbeitsbedingungen. Die Arbeitsaufgaben gestalten sich als abwechslungsreich und spannend. Darüber hinaus kann man sich bestens persönlich weiterentwickeln und selbständig arbeiten. Fraunhofer bietet sehr gute und vielfältige Karrieremöglichkeiten auf den unterschiedlichsten Ebenen. Wir forschen anwendungsorientiert und nicht für die Schublade. Die Fraunhofer-Gesellschaft zeichnet sich durch eine extrem hohe Innovationskraft aus. Viele Industrieprojekte sind Entwicklungen für und münden direkt in Produkte. Die Ausbildung von jungen Menschen ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt von Fraunhofer als Arbeitgebermarke. Selbst wenn nach der Ausbildung oder Promotion nicht jede oder jeder bei Fraunhofer angestellt bleibt, ist dies häufig auch eine Basis für zukünftige Kooperationen oder Projektanbahnungen mit der Industrie. Ich habe hiermit in der Vergangenheit sehr gute Erfahrungen gemacht.
Nun einmal kurz hinter die Fassade der Leiterin geschaut: Internationale Kund*innen, Termine und Deadlines. Was ist Ihr Ausgleich und wann forschen Sie noch?
MJ: Momentan forsche ich nicht selbst, aber ich bin weiter aktiv in meinen Forschungsfeldern und in meinem Netzwerk. Vielmehr versuche ich derzeit auszuloten, wie ich meine Kompetenzen bezüglich der Dünnschicht-, Plasma- und flexiblen Glastechnologien einbringen kann. Die Idee ist auch zu eruieren, wie die Prozesse aus diesem Bereich in die Aktivitäten in unserem Haus eingebunden werden können. Erste Ideen versuchen wir bereits in zukünftige Projekte zu integrieren.
Ansonsten bin ich sicher auch ein ausgeprägter Familienmensch und freue mich, wenn wir zuhause alle zusammenkommen und jeder erzählt, was der Tag gebracht hat. Mein Freundeskreis ist ebenfalls ein absoluter Ausgleich. Wenn Zeit bleibt, lese ich gern, ich interessiere mich für Kultur und Kunst, gehe gern in klassische Konzerte, aber auch einfach mit Freunden zum Essen, oder wie jetzt im Sommer in den Biergarten.
Was ich abschließend noch hinzufügen und betonen möchte: Ich wünsche mir für die Zukunft mehr Frauen in Führungspositionen. Das ist mir ein wichtiges Anliegen, und ich bin diesbezüglich in einigen Netzwerken engagiert. Und ich würde mich freuen, wenn Frauen deutlich mehr Mut aufbringen würden, Verantwortung zu übernehmen. Eine Portion Mut gehört nämlich schon dazu.
Die Welt der Gegensätze eben. Wir danken vielmals fürs Gespräch und freuen uns auf viele weitere spannende Forschungsergebnisse aus Dresden.
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