Fraunhofer IZM unter neuer Leitung - Abschied von Prof. Reichl, dem Wegbereiter des Electronic Packaging

Berlin, /

Für das Fraunhofer IZM – eines der weltweit führenden Institute für die Systemintegration und das produktorientierte Packaging von Mikroelektronik und Mikrosystemtechnik – brechen neue Zeiten an: Prof. Herbert Reichl, einer der Gründerväter des Institutes ist in den Ruhestand eingetreten. Mit Dr. Klaus-Dieter Lang führt ein bewährter Kollege die Geschicke des Fraunhofer IZM weiter.

Wegweisende Entwicklung
Als Professor der Technischen Universität Berlin für das Fachgebiet Aufbau- und Verbindungstechnik und Leiter des Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM hat Herbert Reichl in den vergangenen 16 Jahren Berlin zu einem der weltweit führenden Standorte für Entwicklungen gemacht, wie Elektronik in Produkte des täglichen Lebens integriert werden kann. Ob Abstandsradar, Chipkarte oder Herzschrittmacher, Technologien aus der Ideen schmiede Herbert Reichls haben eine Vielzahl innovativer Produkte zu mehr Leistung durch die Integration von Elektronik verholfen. Im Ergebnis wurden über 500 Patente unter seiner Leitung angemeldet. So war es beispielsweise möglich, schon in den 1990er Jahren hochentwickelte Flip-Chip-Technologien zu lizenzieren und international einzuführen. Heute ist diese Technologie weltweit etabliert. Unter seiner Ägide entstanden die ersten Zuverlässigkeitsmodelle für komplexe Chipaufbauten. Damit war es auch möglich, in Berlin die Lebensdauer der Chips in Texas vorherzusagen. Mit der Entwicklung von Einbettverfahren revolutionierte er mit seinen Mitarbeitern außerdem die Leiterplattentechnologie. Die weltweit kleinste Pumpe, Brennstoffzelle und CMOS-Kamera sowie das kleinste Hörgerät und der kleinste autarke Sensorknoten wurden während seiner Zeit am Fraunhofer IZM entwickelt.

Und so reicht sein Wirkungskreis weit über Deutschland und Europa hinaus. Hohe nationale und internationale Ehrungen, etwa das Bundesverdienstkreuz oder die höchste Auszeichnung des IEEE aus den USA, zeugen von dem Respekt, den er sich mit seinem Team aufgrund seines nahezu unerschöpflichen Forschergeists in den vergangenen Jahren erarbeitet hat*.

Wie geht’s weiter?

Seine Nachfolger für den Berliner und Münchner Institutsteil werden nun die Systemintegration und das Electronic Packaging in zwei vielversprechende Richtungen ausbauen, denn die Herausforderungen sind enorm. Schneller als früher müssen heute in der Zusammenarbeit mit der Industrie anwendungsorientierte und produzierbare Lösungen geschaffen werden. Dabei ändert sich die Herangehensweise: War früher die Technologie der Dreh- und Angelpunkt für neue Entwicklungen und die Anwendung der Endpunkt, so gibt heute die Anwendung vor, wie eine Technologie auszusehen hat.

In Berlin wird unter kommissarischen Leitung von Dr.-Ing. Dr. sc. techn. Klaus-Dieter Lang der System- und Anwendungsbezug weiter gestärkt. „Die Erhöhung der Zuverlässigkeit, die Integration von Sensoren und Aktoren, aber auch die Miniaturisierung und Anpassung an vorgegebene Bauräume werden weiter vorangetrieben. Jedoch mit klarem Anwendungsbezug und dem Ziel, industrietaugliche Prototypen zu erstellen“, so der promovierte Elektrotechniker.

Lang, der als international anerkannter Experte für Miniaturisierungstechnologien und Systemintegration in der Mikrosystemtechnik gilt, nahm hierfür eigens in Berlin eine neue Linie für multifunktionale Boards in Betrieb, deren Durchgängigkeit und Prozesstauglichkeit eine direkte Übertragung in die industrielle Fertigung ermöglicht. Mit der Gründung der Projektgruppe All Silicon System Integration Dresden (ASSID) werden die Aktivitäten im Bereich der 3D-Silizium-Systemintegration auch auf Waferebene vervollständigt.

Unter der kommissarischen Leitung von Prof. Dr.-Ing. Karlheinz Bock wird man sich in München zukünftig auf der Siliziumseite den so genannten Multifunktionalen On-Top-Technologien (MOTT) und auf der Boardseite der Polytronik widmen. Um hierbei größtmögliche Flexibilität zu gewährleisten, hat sich die Fraunhofer-Gesellschaft dazu entschieden, die Münchener Forschungsthemen in einer selbständigen Einrichtung fortzuführen.

In der zum 1. Juli 2010 entstehenden EMFT Fraunhofer-Einrichtung für Modulare Festkörper-Technologien EMFT wird die Zusammenführung der Münchener Aktivitäten im Bereich der Polytronik und der Biosystemintegration mit den Silizium- und MEMS-Technologien zu erheblichen Synergien für die multifunktionale Systementwicklung führen.

Termine
Mit einem Packaging Tag hat das Fraunhofer IZM am 6. Juli 2010 einen Blick auf zukünftige Trends und Herausforderungen werfen und sich mit einem Festakt von Prof. Herbert Reichl verabschieden.
Über die inhaltliche Fokussierung der Fraunhofer EMFT informierte am 28. Juni 2010 eine Pressekonferenz in München.

*Herbert Reichl schaut auf eine beeindruckende Schaffenszeit zurück. Nach seinem Studium der Elektrotechnik promovierte er am Institut für Integrierte Schaltungen an der TU München. 1987 folgte er dem Ruf auf eine C4-Professur an der TU Berlin und übernahm dort die Leitung des Forschungsschwerpunkts „Technologien der Mikroperipherik“. Seit 1993 ist er zusätzlich Mitbegründer und Leiter des Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration in Berlin.

Wissenschaftliche Exzellenz

Prof. Reichl ist nicht nur Autor von weit mehr als 900 wissenschaftlichen Fachbeiträgen und Büchern, sondern auch Mitglied verschiedener nationaler und internationaler Komitees und wissenschaftlicher Beiräte. So leitet er u.a. die Arbeitsgruppe Heterogeneous Integration der europäischen Technologieplattform Nanoelektronik, ist Mitglied des Beirates der Eureka-Initiative MEDEA+, des Councils der Eureka-Initiative Euripides, des Ferdinand Braun Instituts für Höchstfrequenztechnik und des Fraunhofer-Instituts für Rechnerarchitektur und Softwaretechnik. Zudem ist er Beirat der Silicon Sensor GmbH und der KSG Leiterplatten GmbH. In der Lehre betreute er nicht nur sechs Berufungen, sondern auch 85 Promotionen.

Auszeichnungen

Dabei erhielt er 2000 für seine herausragenden Leistungen das Bundesverdienstkreuz, die Ehrendoktorwürde der Universität Chemnitz und wurde außerdem zum IEEE Fellow ernannt. Auch von der Fraunhofer-Gesellschaft wurde er für seine außerordentlichen Verdienste in Forschung und Entwicklung mit der Fraunhofer-Münze geehrt. Internationale Organisationen wie die IEEE oder iNEMI zeichneten ihn mehrfach für seine besonderen Leistungen aus. Er erhielt den „Goldenen Ehrenring“ des VDE sowie in diesem Jahr den „Components, Packaging & Manufacturing Technology“-Award der IEEE.

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