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Intelligente Stromnetze

Berlin /

Auch Stromtrassen müssen an die Energiewende angepasst werden. Forscher am Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM entwickeln autarke Sensoren, die den Stromfluss überwachen: Indem es zwischen ihnen funkt.

Astrose - Intelligente Stromnetze
© Fraunhofer IZM/ Volker Mai
Macht das Stromnetz intelligent - der Astrose-Sensor

Fast ein Drittel unseres Stroms stammt aus regenerativen Quellen. Doch im Gegensatz zur konventionellen Stromerzeugung fließt er nicht gleichmäßig durch die Leitungen, er schwankt. Je nach Wetterlage produzieren Windkraft- und Photovoltaikanlagen mehr oder weniger Energie. Das macht es schwierig für Netzbetreiber, die Stromtrassen maximal auszulasten und gleichzeitig sicherzustellen, sie nicht zu überlasten. Denn Strom und Sonne erwärmen die Leiterseile und sie dehnen sich aus. Die Folge: Die Kabel werden länger und ihr Durchhang größer. Auch Schnee- und Eislast beeinflussen den Durchhang. Kommt das Seil dabei dem Boden, Gebäuden, Fahrzeugen oder Menschen zu nahe, besteht die Gefahr eines tödlichen Stromschlags. Daher müssen gesetzliche Sicherheitsabstände eingehalten werden. Wie viel Strom bedenkenlos durch die Trassen geschickt werden kann, wird derzeit mit unterschiedlichen Parametern bestimmt. So wird beispielsweise mit einer Temperatur von 35 Grad gerechnet und mit einer Windgeschwindigkeit 0,6 m/s. Dass besonders im Sommer die lauen Lüftchen auf sich warten lassen und sich dafür im Winter die Sonne eine Auszeit nimmt, dem wird diese Rechnung nicht gerecht. Und freie Übertragungskapazitäten bleiben ungenutzt.

Mehr Flexibilität wagen

Das Projekt Astrose soll nun Daten liefern, um den Stromfluss besser zu kontrollieren. Ziel ist, zu erkennen, ob über eine Trasse noch mehr Strom übertragen werden kann, oder ob die Grenze bereits erreicht ist. Seit mehreren Jahren arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Fraunhofer IZM nun schon daran. Die Idee: Ein Funksensornetzwerk wird auf Leiterseilen angebracht. Jeder einzelne Sensor misst die Neigung des Leiterseils, die Torsion - also die Verdrehung des Stromkabels - die Temperatur und die Stromstärke. „Diese Parameter sind ausschlaggebend, um die maximal mögliche Stromstärke zu berechnen“, erklärt Fabian Mathar, Wissenschaftler am Fraunhofer IZM.

Im kleinen Städtchen Rieder - im Harz - sind bereits 59 Sensoren im Einsatz. Im Abstand von durchschnittlich 500 Metern sind sie an der zehn Kilometer langen Projekt-Trasse aufgereiht. Jetzt wird gefunkt: Jeder Sensor gibt seine Messwerte an den nächsten in der Kette weiter, der dann wiederum die Daten des Vorgängers und seine eigenen an den Nachbarn sendet. Multi-Hopping nennt sich das Verfahren. Am Ende gehen die von allen Funksensoren gesammelten Messwerte an den Netzbetreiber, der so den Stromfluss steuern kann. Ist noch Platz im Kabel für mehr Strom, wird die Amperezahl erhöht und weiterer Strom ins Netz einspeist.

Der Sensor als Selbstversorger

Jeder Sensor besitzt außerdem eine eigene ID und kann so jederzeit geortet werden. Ist der Durchhang also an einem bestimmten Punkt der Trasse im kritischen Bereich, kann der Netzbetreiber die Stelle exakt bestimmen. Bisher werden die Trassen mit dem Auto abgefahren, um Schäden zu lokalisieren. Und falls doch einmal ein Sensor ausfällt, bleibt der Informationsaustausch gesichert. Die Funkweite eines einzelnen Sensors reicht bis zu 1500 Meter – und damit dreimal so weit, wie der Abstand der einzelnen Sensoren untereinander ist. Ein weiteres Highlight des Projekts: Die Sensoren versorgen sich selbst mit Strom. Als Energie-Harvester ziehen sie die benötigte Energie direkt aus dem Leiterseil – unabhängig von der Stromstärke. Im Gegensatz zu induktiven Verfahren, die auf Stromfluss angewiesen sind, sammeln die Astrose-Sensoren ihre Energie aus der Leiterseilspannung. Seit dem Herbst 2014 ist in Rieder ein Astrose-Sensornetzwerk installiert, die Sensorwerte werden dabei zuverlässig an die Basisstation des Netzbetreibers MITNETZ übermittelt. Weitere Pilotprojekte sollen im Laufe des Jahres folgen. 

(Text: Eva Baumgärtner)

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