Frostige Forschung: Fraunhofer IZM entwickelt Integrationstechnologien für Kryo-Elektronik

Quantentechnologien und Highspeed-Rechner mit Supraleitern gehören zu den aktuellen Elektronik-Trends. Doch sind die Strukturen, mit denen etwa Qubits auf Chips angesteuert und in Echtzeit ausgelesen werden können, bislang noch größer als die Qubits selbst. Forschende des Fraunhofer IZM haben nun einen Prozess entwickelt, mit dem sie die Anschlussdichte mit Indiumbumps im Vergleich zu bisherigen Lösungen verdoppeln. Mit dieser Technologie wollen sie nun die Ansteuerelektronik optimieren. Zusätzlich haben sie in Berlin ein Kryomesslabor eingerichtet, mit dem sie die Leistungsfähigkeit ihrer Elektronikaufbauten testen können.

© Fraunhofer IZM
Chips aus dem Tiefkühlfach: Ob Elektronik fit genug für die Quantenforschung ist, verrät die Kryomessung am Fraunhofer IZM. Geräteaufbau mit einer Skizze des Testchips.

Fans der Science-Fiction kennen den Vorgang: Mit Hilfe der Kryostase wird die Hauptfigur eingefroren und kann einige Jahrhunderte später unbeschadet aus dem Kälteschlaf erweckt werden. Solche Utopien basieren auf ganz realer Wissenschaft: der Kryotechnik. Dabei werden Gase verflüssigt, indem sie Tiefsttemperaturen von -160°C und noch kälter ausgesetzt werden. Während  die Erkenntnisse der Kryotechnik Ende des 19. Jahrhunderts noch experimentell gewonnen wurden, haben inzwischen viele Branchen die Vorteile der extremen Kälte erkannt: In der Raumfahrt kommen beispielsweise Kryo-Sensoren für die Gravitationsmessung oder rauscharme Verstärker für sehr schwache Signale zum Einsatz. In der Kryochirurgie wird damit krankes  Gewebe behandelt. Vor allem auf dem Gebiet der Quantentechnologie ist die Kryotechnik relevant.

Um das Spektrum der Quantentechnologien vom Computing über die Sensorik bis zur Quantenkommunikation realisieren zu können, ist die Entwicklung geeigneter und vor allem skalierbarer Fertigungstechnologien notwendig. Damit ein Quantencomputer echte Rechnungen löst  und damit Anwendungen beschleunigt, bedarf es zusätzlicher, ansteuerbarer Qubits – mit Hunderttausenden bis sogar Millionen physikalischen Einheiten nicht gerade wenige. Diese Qubits sind durch supraleitende Schaltkreise miteinander verbunden, also Leitungen, die bei bestimmter Kälte einen kaum noch messbaren elektrischen Widerstand aufweisen.

Um nun die Qubits auslesen und manipulieren zu können, bedarf es einer elektrischen Schaltung, die eine möglichst hohe Anschlussdichte besitzt. Außerdem muss sie thermisch entkoppelt sein, damit durch ihre Eigenerwärmung im Betrieb die gekühlten Qubits ihre Verschränkung nicht verlieren. Die so genannte Quantenüberlegenheit wird erst mit hohen Qubit-Zahlen  erreicht, man geht derzeit von 100.000 oder sogar einer Million Qubits aus. Die erreichbare Qubit-Dichte auf einem Halbleiterchip ist in vielen Fällen durch die Kontaktdichte limitiert. Beim Anschluss-Rastermaß, dem so genannten Pitch, konnte mit derzeitigen Technologien seit Jahren der Wert von 15 Mikrometern nicht unterschritten werden. Den Forschenden um Dr.-Ing.  Hermann Oppermann vom Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM ist es nun gelungen, durch die galvanische Abscheidung von Indium einen Pitch von weniger als 7,5 Mikrometern zu realisieren. Bei erforderlichen Umgebungstemperaturen von 20 Milli-Kelvin im Betrieb muss die Eigenerwärmung der elektrischen Leitungen extrem niedrig sein. Dafür  sind supraleitende Materialien bestens geeignet. Den Forschenden um Hermann Oppermann ist die Abscheidung und Strukturierung von supraleitendem Niob und Nioblegierungen gelungen, die für die Verdrahtung von Schaltungsträgern in mehreren Lagen, so genannte Interposer, mit Durchkontaktierungen verwendet werden. Das Ergebnis sind äußerst verlustarme  Schaltungsträger, mit denen sich Qubit-Arrays in Echtzeit ansteuern und zu hochdichten, skalierbaren Systemen für Quantenrechner integrieren lassen.

Um diese Technologiebasis zu schaffen, Materialien zu untersuchen, Integrationskonzepte zu optimieren und supraleitende Aufbau- und Verbindungstechnik für kryogene Anwendungen zu entwickeln, wurde am Fraunhofer IZM in Berlin das Kryomesslabor eingerichtet. Im neu aufgebauten Testlabor können die Forschenden elektrische Schaltungen charakterisieren, evaluieren  und damit Integrationstechnologien für Anwendungen in Niedrigsttemperaturen voranbringen. Durch die Analyse des Widerstandsverhaltens einzelner Schaltungsbestandteile, die mit einem Kühlfinger unter Vakuum auf bis zu 3 Kelvin gekühlt werden, können das elektrische Verhalten und die Zuverlässigkeit der Durchkontaktierungen, Umverdrahtungsebenen und  Leitungssysteme bei Kryo-Temperaturen evaluiert werden.

In laufenden Projekten konnten bereits erste Messungen vorgenommen und Aufbauund Verbindungstechniken sowie die Integration unter kryogenen Bedingungen vorangetrieben werden. „Als einen der nächsten Schritte sehen wir die Erweiterung der kryogenen Aufbau- und Verbindungstechnik in Richtung  hochfrequente Millimeter- Wellentechnik.“ Hermann Oppermann ist zuversichtlich: „Unsere steigende Expertise auf diesem Gebiet bietet ein weites Marktpotenzial, welches über die Quantentechnologien hinaus in klassische Anwendungsgebiete wie High Performance Computing und Kryo-Sensorik reicht. Wir sind offen für weitere Projekte, in denen wir mit unseren  Aufbautechnologien kryogene Anwendungen auf die nächste Ebene bringen.“

(Text: Olga Putsykina)

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