Mit Spezialausstattung von der Quantenforschung zu marktreifen Produkten

Mit Quanten lässt sich nicht nur rechnen, sondern auch messen und kommunizieren. Diese einzigartige Kombination ermöglicht es, dass in den nächsten Jahren vielfältige Produkte im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik und auf dem Sensorikmarkt entstehen können. Damit sich die Hersteller grundlegende Prinzipien der Quantenmechanik zunutze machen können, benötigen sie hochspezialisierte Anlagen und Prozesse. Mit Geldern der Europäischen Union und des Landes Berlin haben Forschende des Fraunhofer IZM nun einen Gerätepark geplant, mit dem sie Quantentechnologien auf Glasbasis weiterentwickeln wollen.

medium - image - Quantenforschung
© Fraunhofer IZM | Matthildur Valfells
Auf dem Weg zu marktreifen Quantentechnologien: Im Berliner QuantumPackaging Lab werden Packaging-Technologien für die Quantenphotonik entwickelt.

Quantenobjekte sind nur einige Nanometer groß, agieren jedoch auf einzigartige Weise: So besitzen sie beispielsweise weder eine exakte Position noch eine genaue Bewegungsrichtung. Weit voneinander entfernte Teilchen können sogar miteinander verschränkt sein. Auf der Grundlage dieser Phänomene entwickeln Forschende weltweit Quantentechnologien, die ein unvergleichliches Potenzial für die angewandte Forschung in verschiedenen Branchen eröffnen.

Um diese Revolution mitzugestalten, nahm die Fraunhofer-Gesellschaft Anfang des Jahres den ersten Quantencomputer in Deutschland in Betrieb. Doch die Wissenschaft mit Quanten beschränkt sich nicht nur auf das Rechnen. Mit photonischen Quantentechnologien können bahnbrechende Anwendungen im Bereich der Quantenkommunikation und -sensorik realisiert werden. Um diese Sprunginnovationen in skalierbare Komponenten und marktfähige Produkte zu überführen, müssen Forschende in der Lage sein, Quantenzustände mit hoher Präzision zu kontrollieren.

Mit seiner exzellenten Ausstattung wird das Berliner QuantumPackagingLab Mitte 2022 als führende Anlaufstelle für die Entwicklung zuverlässiger Packaging-Ansätze rund um die Quantenphotonik bereitstehen. Um technologische Lücken zu schließen und damit die Lösungen der zweiten Quantenrevolution über die Schwelle zu industriellen Anwendungen zu bringen, setzen sich die Forschenden ehrgeizige Ziele. Sie versuchen, Glas als transparentes Substrat und Träger von zukünftigen photonischen Schaltkreisen zu nutzen. Zudem wollen sie bereits bestehende Wellenleitertechniken auf den sichtbaren und den Nahinfrarotbereich, das sogenannte VIS-NIR-Spektrum, ausweiten. Dafür verwenden sie Panel Level Integrationstechniken, die für elektrische Leiterplatten entwickelt wurden. Um die Aufbautechniken, Packages sowie die Systemintegration für photonische Quantentechnologien anzugehen, wird am Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM in insgesamt vier Laboren eine neue Infrastruktur aufgebaut. Besondere Bedeutung kommt den folgenden fünf Großanlagen zu:

Scanning Nearfield Optical Microscope (SNOM)

  • Funktionsweise: Das SNOM im optischen Messlabor nutzt die optische Spektroskopie zur Untersuchung von Oberflächen nanophotonischer Bauteile. Kernpunkt des Vorgangs ist, dass Laserlicht mit einem minimalen Durchmesser, kleiner als der eines Wellenleiters, in unmittelbarer Nähe der Probe fokussiert wird. Zudem können durch das sogenannte evaneszente Feld, welches beim optischen Abklingen einer Lichtwelle an Grenzflächen entsteht, hochzuverlässige Messungen durchgeführt werden.
  • Nutzen für die Forschung: Damit haben Forschende die Möglichkeit, nanophotonische Komponenten mit hoher Präzision zu charakterisieren, mit einer Auflösung jenseits der optischen Beugungsgrenze, und eine störungsfreie Bildgebung zu erzeugen. Geplant sind insbesondere der Einsatz eines optischen Nahfeldrastermikroskops zur Untersuchung des evaneszenten Feldes von in Glas integrierten Wellenleitern und optischen Nanofasern zur Optimierung der Licht-Materie-Wechselwirkung sowie die Fluoreszenz-Mikroskopie an Nanostrukturen (z. B. Einzelmoleküle, NV-Zentren in Diamanten, Quantenpunkte, Nanokohlenstoffe).

Wellenleiterkoppler

  • Funktionsweise: Das automatisierte Großsystem nutzt eine integrierte Kamera sowie Such- und Optimierungsalgorithmen, um mehrere Wellenleiter gleichzeitig an ein Faserarray zu koppeln. Das eingekoppelte Licht wird an der Ausgangsseite des Wellenleiters detektiert.
  • Nutzen für die Forschung: Für den Einsatz glasintegrierter Wellenleiter in den Quantentechnologien muss der Herstellungsprozess für Wellenlängen im sichtbaren und infraroten Bereich angepasst werden. Notwendige Anforderungen sind dabei eine einmodige Lichtführung sowie geringe Ausbreitungsverluste. Bisher werden diese Prozesse am Fraunhofer IZM mit einer selbstgebauten Anlage durchgeführt – durch den Neuzugang erhoffen sich die Forschenden, die Messabläufe stark zu beschleunigen und die Prozesse weiter zu präzisieren.

3D-Glasdrucker

  • Funktionsweise: Der 3D-Glasdrucker strukturiert Glas mithilfe von ultrakurzen Lichtimpulsen. In einem nachgelagerten Prozessschritt können Glasoberflächen geätzt und damit modifiziert werden. Mit dem Gerät wird insbesondere das Laser Direct Writing angestrebt, also das direkte Einlasern von Wellenleitern und photonischen Strukturen wie Beugungsgittern in Glas.
    Weitere Funktionen sind das Bohren von Mikrolöchern in Glas und das Schweißen, bei dem das Glas nur lokal erwärmt wird und somit hermetische und transparente Glas-Glas-Schweißverbindungen realisierbar werden.
  • Nutzen für die Forschung: Mit dem 3D-Glasprinter öffnen sich viele bisher verschlossene Türen: Zum Beispiel wird es möglich, sowohl planare als auch gekrümmte optische Oberflächen direkt auf den Wellenleitern zu erzeugen und so Quantenemitter anzuregen. Die nun erzeugbaren Schweißverbindungen sind wiederum zentral für die thermische Isolation von Quantensensoren und die Herstellung von miniaturisierten Spektroskopiezellen.
    Grundsätzlich erwarten die Forschenden eine Verbesserung der Rauheit, Genauigkeit und Reproduzierbarkeit der Glasstrukturen um den Faktor 10 im Vergleich zu bisherigen Verfahren.

Mikro-Ultrahochvakuum-Bonder

  • Funktionsweise: Mit dieser Anlage planen die Forschenden, das Laserlöten sowie andere hermetische Verbindungsprozesse von Glas unter Vakuumbedingungen durchzuführen. Die stark fokussierte Laserstrahlung wird dabei vom Glaslot absorbiert. Hierdurch erwärmt es sich oberhalb des Lotschmelzpunkts, was zu einer Verbindung der Glasflächen führt.
  • Nutzen für die Forschung: Der Mikro-Ultrahochvakuum-Bonder ist besonders nützlich, um weitere Verbindungsansätze von flachen Gläsern voranzutreiben. Allem voran steht der Anspruch, dass die Verbindungen auf Mikroebene hermetisch dicht sind und so ein Fundament für zukünftige Entwicklungen von Mikrovakuum- und Mikrogaszellen sowie thermisch isolierenden Aufbauten bilden.

Ultrahochvakuum-Bedampfungsanlage: hochgenaue Schichten durch Bedampfung

  • Funktionsweise: Mit der Ultrahochvakuum-Bedampfungsanlage können metallische Beschichtungen mit einer Dicke von wenigen Nanometern und einer Präzision von einem Nanometer auf Glasoberflächen aufgedampft werden. Die Prozesse dienen zum einen der Herstellung halbtransparenter, metallisch beschichteter Spiegel, zum anderen können die metallischen Flächen selbst zum Leiter von Plasmonen werden.
  • Nutzen für die Forschung: Dieses Gerät erweitert die Möglichkeiten eines konventionellen Sputters auf quantentechnologische Parameter. So entstehen beispielsweise bei einer parallelen oder konfokalen Goldbeschichtung entlang eines Lichtwellenleiters mikroskopisch kleine Hohlräume. Sobald sich Quantenemitter in diesen platzieren, ändert sich das räumliche Emissionsmuster und Lichtteilchen emittieren mit hoher Wahrscheinlichkeit in Richtung des Wellenleiters.

Das Fraunhofer IZM sucht nun Forschungspartner, mit denen es die anwendungsorientierte Systemintegration, insbesondere Aufbautechnik und Packaging, für die Gebiete der Quantenkommunikation und -sensorik entwickeln kann.

Das QuantumPackagingLab wird vom Land Berlin im Rahmen einer EFRE-Co-Finanzierung mit insgesamt 3.392.000 Euro gefördert.

(Text: Olga Putsykina)

Letzte Änderung: